Veröffentlicht am: 5. Juni 2023Von: Kategorien: PR

Es ist Juni und das bedeutet, dass viele Unternehmen im Pride-Month das Queer-Marketing für sich entdecken: Egal ob Brausehersteller oder Sockenproduzent, die Regenbogenflagge strahlt in den Sommermonaten von vielen Social-Media-Accounts oder Verpackungen. Alles nur Show oder ein gelungenes Zeichen für Vielfalt und Toleranz?

Was als Unterstützung für die LGBTQI*-Gemeinschaft im Rahmen des Pride-Monats gelten soll, wird von den meisten User:innen und Kund:innen tatsächlich positiv gewertet. Unternehmen zeigen sich so in der externen Kommunikation solidarisch mit einer marginalisierten Gruppe.

LGBTQI* ist eine Abkürzung aus dem Englischen für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer und Intersexual.

Daher nutzen mittlerweile auch kleine und mittelständische Unternehmen die Pride-Flagge für ihre Social-Media-Kanäle oder ihre Website. Sie wollen sich oder ihre Marke als offen, divers und zeitgemäß präsentieren, Mitarbeiter:innen binden, Recruiting betreiben oder das Symbol aus Marketinggründen und zur Verkaufsförderung verwenden. Doch nicht immer kommt das gut an. Stichwort: Pinkwashing.

Was ist Pinkwashing?

Gerade wenn Unternehmen die Regenbogenflagge nur aus Marketinggründen einsetzen und nicht authentisch für die LGBTQI*-Community eintreten, handeln sie sich schnell den Vorwurf des Pinkwashings ein. Der Begriff ist angelehnt an das geläufige Greenwashing, bei dem Unternehmen aus Imagegründen die Bemühungen um ein ökologisches Wirtschaften überhöht darstellen, um sich nach außen hin gut zu positionieren.

Beim Pinkwashing geht es nicht um nachhaltiges Handeln, sondern darum, dass Marken oder Unternehmen sich offiziell mit Homo-, Bi- und Transsexuellen sowie anderen Gruppen solidarisieren, während sie in der Praxis anders handeln oder diese Personengruppen nur teilweise oder gar nicht unterstützen.

Bekannte Beispiele finden sich vor allem auf Konzern-Ebene: Der Autohersteller BMW färbte zum Beispiel das Logo des Instagram-Accounts im Jahr 2021 nur in den Ländern bunt, in denen er keine negativen Konsequenzen für Absatz und Image erwarten musste. In Russland und Saudi-Arabien zum Beispiel wurde auf das Einfärben verzichtet.

Praxisbeispiel: Kulturkampf um das Bier Bud Light

Ein besonders bekanntes Beispiel ist aktuell in den USA zu beobachten. Hier läuft ein Kulturkampf um das Bier Bud Light. Der Brauerei-Konzern Anheusser-Busch hatte mit Influencerin Dylan Mulvaney kooperiert, was zu einem Shitstorm enormen Ausmaßes führte. Trump-Anhänger:innen boykottierten Bud Light nach Auftauchen eines Videos mit Dylan Mulvaney in Scharen. Altrocker Kid Rock veröffentlichte gar ein Video, in dem er mit einem Maschinengewehr auf die Bierdosen der Marke schießt.

Grund für den Hass auf Bud Light ist die Transidentität der Influencerin. Nachdem der Chef des Mutterkonzerns Anheuser-Busch Inbev, Michel Doukeris, öffentlich zurückruderte und davon sprach, dass es sich bei dem Video nicht um eine Bud-Light-Kampagne gehandelt habe, riefen LGBTQI*-Vereine ebenfalls zum Boykott des Bieres auf.

Unternehmen sollten deshalb darüber nachdenken, wie authentisch ihre Kommunikation im Pride Month ankommt, bevor sie Gay Marketing betreiben. Der Blick muss dabei auch nach innen gehen: Welches Engagement für queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es? Passt die Verwendung der Regenbogen-Flagge zur gelebten Unternehmenskultur?

Argumente, die gegen das Verwenden der Pride-Flagge sprechen:

  • Die Idee stammt aus der Marketing-Abteilung, die Unternehmensführung ist aber für eine homophobe Haltung bekannt
  • Es werden Geschäfte mit queerfeindlichen Kundinnen und Kunden gemacht, die Verwendung würde damit unglaubwürdig
  • Bunt wird es nur im Juni, den Rest des Jahres verschwindet die Flagge in der Mottenkiste und auch sonst wird dem Thema keine Aufmerksamkeit geschenkt
  • Bei Kritik an der Haltung des Unternehmens würde man zurückrudern und tritt damit nicht ernsthaft für die LGBTQI*-Community ein

Warum Unternehmen sich mit der LGBTQI*-Community solidarisieren sollten

Von einigen Menschen, meist aus dem rechts-konservativen Umfeld, wird angeführt, die Gesellschaft sei schon so tolerant und offen. Sie halten sichtbare Zeichen wie die Regenbogenflagge oder die Pride-Veranstaltungen für überflüssig. Und überhaupt nerve es total, dass im Juni überall Regenbögen auftauchen. Es nehme einfach Überhand. Passend dazu erschien vor ein paar Tagen auch eine internationale Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos: Demnach sinkt seit 2021 die Akzeptanz für die Ehe für alle sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Ländern.

Homosexuelle, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sind in unserer Gesellschaft noch immer Anfeindungen, Mobbing oder Belustigungen ausgesetzt. Laut Bundesinnenministerium sind im Jahr 2022 mehr als 1.000 LGBTQI*-feindlich motivierte Straf- und Gewalttaten von den Bundesländern erfasst worden. Weitaus weniger dramatisch, aber bemerkenswert: Es gibt in der Männer-Bundesliga nach wie vor keinen aktiven Profifußballer, der offen schwul oder bi lebt. Was sagt uns das nun?

Zeichen der Unterstützung helfen, und seien sie noch so klein wie das Umfärben des Logos in Regenbogenfarben, auf die Situation von homosexuellen, queeren und anderen Menschen aufmerksam zu machen. Sie sind nicht überflüssig. Dazu muss die Unternehmensführung auch nicht unbedingt etwas mit den bunten CSDs anfangen können, die in den Sommermonaten durch deutsche Städte ziehen oder große Marketing-Kampagnen fahren. Natürlich ist es aber mehr als wünschenswert, wenn es nicht bloß beim Regenbogen-Symbol bleibt, sondern das Thema Diversity ganzjährig und ganzheitlich von den Führungskräften betrachtet wird.

Ernsthaftes Engagement statt Marketing

Wer hier offen ist, kann verschiedene Maßnahmen ergreifen, die ein positives Arbeitsumfeld für LGBTQI*-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter schaffen. Unter Einbeziehung der Personalabteilung und des Betriebsrats können zum Beispiel Formulierungen, die sich explizit gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz richten, ins Leitbild des Unternehmens aufgenommen werden.

Auch Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Unterstützung von LGBTQI*-Netzwerken, genderneutrale Toiletten und eine inklusive Sprache können dazu beitragen, authentisch für die Rechte der LGBTQI*-Community einzutreten. Wer will, kann in seinen Stellenausschreibungen darauf hinweisen und auch andere Kanäle nutzen, um dies nach außen zu kommunizieren. Wichtig dabei ist, authentisch zu bleiben und das Engagement nicht größer darzustellen, als es in Wahrheit ist.

Wer Angst hat, versehentlich Pinkwashing zu betreiben oder nicht weiß, welche Pride Flag er verwenden soll, welche Abkürzung „die richtige“ ist usw. der kann sich bei LGBTQI*-Vereinen informieren. Die gemeinnützige Stiftung PROUT AT WORK aus München bietet zum Beispiel strategische Beratung zur Arbeitskultur sowie Bildungs- und Sensibilisierungsangebote für Mitarbeiter:innen und Führungskräfte.

Fazit

Den Juni können Unternehmen und Marken nutzen, um ein sichtbares Zeichen für die Rechte von queeren Menschen zu setzen. Engagements und Kampagnen müssen aber authentisch sein. Wer nur aus Marketing-Gründen die Regenbogenflagge hisst, Diversity aber ansonsten nicht lebt, sollte es besser sein lassen.

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zum Autor

Julius Brockmann

Julius Brockmann ist PR-Berater in den Teams Gesundheit & Pflege sowie Konsumgüter & Dienstleistungen bei Sputnik. Vor seiner Zeit in der PR-Branche studierte er Medien und Politik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Anfang seines Studiums arbeitet er als freier Mitarbeiter für regionale Tageszeitungen sowie Special-Interest-Titel. Privat betreibt er den Blog www.ruhrwohl.de zu den Themen Food, Interior und Reise.