Viele mittelständische Unternehmen stehen unter Druck: Fachkräftemangel, KI-Umbrüche, permanente Krisen. Für strategisch-konzeptionelles Arbeiten fehlt im Alltag oft die Zeit – obwohl diese Zeit im Hinblick auf erfolgreiches unternehmerisches Handeln gut investiert wäre. Strategieberaterin Carolin Best erläutert im Interview, warum jetzt mehr Strategie und mehr Mut nötig sind.
Auf einen Blick
Die wichtigsten Aussagen in der Kurzzusammenfassung:
- Strategie spart Zeit, weil sie Orientierung schafft und Entscheidungen beschleunigt
- Reiner Reaktionsmodus bindet Ressourcen und kostet am Ende mehr
- Die Entwicklung einer guten Strategie braucht nicht viele Monate
- Unternehmen, die wissen, wer sie sind und warum sie am Markt einen Unterschied machen, bleiben auch in Krisen handlungsfähig
- Qualität bleibt spürbar: Sie schafft Vertrauen, das keine KI ersetzen kann
- Wer jetzt Weitblick wagt und wieder in gutes Handwerk investiert, verschafft sich einen Vorsprung
Julius Brockmann: Carolin, Du hast lange in der PR gearbeitet – auf Unternehmensseite und im Agenturumfeld – und dich dann entschieden, stärker in Richtung Strategie und Organisationsentwicklung zu gehen. Hat sich dadurch Dein Verständnis von Strategie verändert?

Carolin Best: Der Kern ist für mich der Gleiche geblieben. Die Methodik, wie ich strategisch arbeite, ist dieselbe wie vor 25 Jahren, als ich wirklich von der Pike auf gelernt habe, wie man konzeptionell arbeitet und Strategien entwickelt. Das trägt noch immer. Was sich verändert hat, ist die Art, wie ich zur Strategie komme und wie ich damit arbeite: unter anderem deutlich hypothesenbasierter und iterativer. In engeren Abständen, konsequent überprüfend, ob die Hypothesen tragen und damit auch die Maßnahmenansätze, dies charakterisiert heute meine Arbeitsweise.
Gilt das auch angesichts der Vielzahl an Kanälen und Entwicklungen wie KI?
Carolin Best: Wenn von Big Shifts die Rede ist – KI, neue Kanäle, Social Media, verändertes Nutzerverhalten – dann betrifft das für mich vor allem die Ebene der Instrumente. Die Grundlagen von Strategie bleiben: verstehen, analysieren, ableiten, entscheiden. Für mich geht es im Kern stets um den Menschen und seine Bedürfnisse – das gilt für Kommunikation genauso wie für Organisationsentwicklung und Veränderungsbegleitung.
Im Mittelstand ist das Tagesgeschäft oft dominant. Entscheidungen müssen schnell fallen, Ressourcen sind knapp. Warum lohnt es sich, Raum für Strategie zu schaffen?
Carolin Best: Das stimmt, ich erlebe besonders im kleineren Mittelstand eine enorme operative Belastung. Viele sind getrieben vom Tagesgeschäft und den äußeren Rahmenbedingungen und finden kaum Raum für den Blick nach vorn.
Ich würde Entscheidern gerne die Freiräume geben, strategischer und visionärer arbeiten zu können. Gerade in einer Zeit, die so disruptiv ist, braucht es Mut, einen Horizont von zwei, drei, vier Jahren zu sehen – statt nur zu reagieren. Daher ist mein Credo: mehr Strategie und Weitblick wagen, um damit wieder an den Kern der eigenen Wertschöpfung und die unternehmerische DNA zu kommen: Aus Ideen heraus Zukunft gestalten.
Wie gelingt das trotz vieler kurzfristiger weltweiter Krisen?
Carolin Best: Ich bin überzeugt, dass es gelingt, Krisen mit einer Strategie, die trägt, zu begegnen. In einer guten Strategie sind antizipierte Zukunftsentwicklungen hinterlegt. Dafür gibt es Methoden, wie beispielsweise Szenariotechniken oder die Arbeit mit Megatrends. Das schafft einen Rahmen (Strategiekorridor), in dem taktische Entscheidungen bei kurzfristigen Veränderungen abgefedert oder gestaltet werden können. Dies ist für mich der eigentliche Nutzen einer Strategie: Orientierung, taktische Flexibilität und damit Gestaltungsspielraum.
Trotzdem braucht es manchmal reines Firefighting, oder?
Carolin Best: Natürlich. Es gibt Situationen, die nicht vorhersehbar sind. Aber ein Unternehmen, das stark bei seinen Wurzeln ist und weiß, wer es ist und was es kann, hat einen Vorteil. Unternehmen, die klar haben, warum sie am Markt einen Unterschied machen, können ihrem Nordstern folgen, immer wieder zu sich selbst zurückfinden und bleiben sich auch innerhalb der Wandlungsdynamiken treu.
Was macht „gute Strategie“ für dich aus?
Carolin Best: Eine gute Strategie baut auf einer sehr soliden Analyse auf, die die relevanten Felder wirklich betrachtet hat und zudem in die Zukunft blickt. Sie ist schlüssig abgeleitet, hat also eine innere Logik. Sie trägt über einen definierten Zeithorizont, ist im besten Falle zeitgemäß, aber keinen Moden unterworfen. Mit Orientierung und Sicherheit gibt sie Freiraum, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Und sie vermag es auf einer immateriellen Ebene Menschen zu orientieren.
Also hat eine Strategie auch eine starke Innenwirkung?
Carolin Best: Absolut. Und darin liegt die eigentliche Wirkmächtigkeit, aber auch die „Kunst“: Führungskräfte sollte es gelingen, eine übergeordnete Strategie, bzw. die Unternehmensstrategie auf ihren eigenen Bereich herunterzubrechen und gemeinsam mit dem Team zu übersetzen, was das im Alltag konkret bedeutet. Dies unterstützt Mitarbeitende dabei klar zu haben, woran das Unternehmen arbeitet und warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden.
Ich habe einmal mit einem Unternehmer gesprochen, der vor zehn Jahren eine Strategie entwickelt hat, die bis heute noch trägt. Bedeutet das, man muss nicht ständig alles neu denken?
Carolin Best: Ja. Unternehmensstrategien sollten ohnehin länger wirken, weil Dinge Zeit brauchen: Einen Markt aufzubauen, Themen zu penetrieren, Wirkung zu entfalten.
Um dies einmal auf euren Geschäft hier bei Sputnik zu übertragen: Das gilt genauso für Kommunikation. Kommunikation braucht Zeit. Zeit, um Wissen aufzubauen, Einstellungen zu formen und gewünschtes Verhalten hervorzurufen.
Wenn es um das Monitoring der Kommunikation geht, stehen viele vor der Frage: Was messen wir sinnvoll, ohne einen großen Apparat aufzubauen? Wie gehst du an diese Entscheidung heran?
Carolin Best: Für mich ist das auch eine Frage von Verständnis und Vertrauen: Wie gut ist bekannt, wie Kommunikation wirkt, welche Vorlaufzeiten sie braucht und was nötig ist, um ein Ergebnis zu erzielen? Wenn da Vorwissen vorhanden ist, reicht möglicherweise ein Clipping-Report alle sechs Monate, um zu sehen, ob wir mit unserem Maßnahmenprogramm auf Kurs sind.
In sehr zahlengetriebenen Unternehmen ist der Bedarf oft ein anderer, weil sich dort Entscheider:innen stärker über Kennzahlen steuern. Dann braucht es ein gemeinsames Gespräch darüber, welche KPIs wirklich sinnvoll sind und in welcher Form wir sie erheben. Das sollte im Vorfeld geklärt werden. Generell gilt: Kommunikation hat kein Messbarkeitsproblem. Die Fragen, die sich hier stellen sind eher: Welche Messgrößen sind sinnvoll und welche Ressourcen stellen wir gemeinsam dafür bereit? Das lässt sich klären – und dann kann man sehr sauber und nachvollziehbar messen, ob man auf Kurs ist.
Viele Unternehmen fragen sich gerade: Warum noch in Kommunikation investieren, wenn KI vieles schneller und günstiger kann?
Carolin Best: Gute Kommunikation mehr ist als der reine Output. Der Wert liegt nicht im Text oder im Bild selbst – sie sind quasi „nur“ Vehikel – sondern darin, welche Wirkung sie erzielen. Und da wissen Kommunikationsprofis gut Bescheid, was wie wirkt. Eine gute Kommunikationsstrategie schafft auch hier Orientierung, Klarheit und sorgt für einen sinnvollen Ressourceneinsatz – auf beiden Seiten. Kurzum: Eine Kommunikationsstrategie spart am Ende Zeit, Geld und Nerven, weil Entscheidungen einfacher getroffen und besser begründet werden und sichert ein hohes Qualitätsniveau ab.
Und Qualität ist spürbar. Ob ein Text durchdacht ist, ob eine Geschichte trägt, ob Botschaften konsistent sind – das wird von unseren Empfängern wahrgenommen – und entscheidet über Vertrauen. Und Vertrauen kann man nicht automatisieren – keine KI kann das ersetzen. Aber KI kann uns unterstützen: Im Strategieentwicklungsprozess und bei der Zielgruppenanalyse, bei der Recherche zu Texten, beim Anscribbeln von Visuals, …
Wenn Du in die Zukunft blickst. Was würdest du unseren Kund:innen im Mittelstand gerne mitgeben?
Carolin Best: Beauftragen Sie eine Kommunikationsstrategie für Ihr Unternehmen oder Ihre Produkte. Dann bekommen Sie mehr Qualität, bessere Ergebnisse, sind schneller und treffsicherer. Sie vermeiden, sich intern im Kreis zu drehen. Das spart enorm viel Zeit. Und: Investieren Sie in gutes Handwerk. Das spüren nicht nur Unternehmen selbst, sondern auch alle Empfänger:innen, also Medien, Stakeholder, Kund:innen. Menschen erkennen Qualität. Wir spüren, wenn jemand sein Handwerk versteht, wir spüren die Energie und Hingabe, die hineingeflossen ist. Ein Text, der sauber gebaut ist, ohne Fehler, klar auf den Punkt – der macht etwas mit uns. Erlaube mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs: Ich reise leidenschaftlich gerne nach und in Japan: Meine Faszination und Begeisterung liegen genau in diesen Momenten, wenn ich diese Hingabe, diese Meisterschaft, die Aufmerksamkeit für Details spüre. Ich bin jedes Mal aufs Neue davon berührt und empfinde dies als Ausdruck von Respekt und Wertschätzung – auch gegenüber meiner Person.
Gutes Handwerk wird nicht aussterben. Wir sollten bewusst darin investieren. Denn in einer Welt, in der Qualität und Sorgfalt nichts mehr zählen, wollen wir nicht leben. Und in einer solchen Welt hätten auch die Produkte mittelständischer Unternehmen keine Chance.
Kurzprofil: Carolin Best
- Systemische Organisationsberaterin, Business Coach, Trainerin
Schwerpunkt: Strategie, Veränderungsprozesse, Führung & Kommunikation - Mehr als 15 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen in PR-Agenturen und der Unternehmenskommunikation, unter anderem bei fischerAppelt und Weber Shandwick
- Seit 2009 selbstständig: Begleitung von Kommunikationsabteilungen, Führungsteams und Organisationen in Transformations- und Strategieprozessen
- Dozentin an der Akademie für Publizistik Hamburg
Mehr Infos: www.carolinbest.de