Veröffentlicht am: 25. April 2017Von: Kategorien: Journalismus

Michael Schumacher ist der erfolgreichste Formel-1-Rennfahrer aller Zeiten und einer der weltweit populärsten Deutschen überhaupt. Die Anteilnahme war groß, als er 2013 beim Skifahren schwer stürzte und sich ernsthaft verletzte. Verständlich groß erscheint das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf Schumachers gesundheitlichen Zustand – noch größer ist allerdings das Recht auf den Schutz seiner Intimsphäre.

Es ist manchmal etwas befremdlich, wenn man sich vor Augen hält um was für Themen Prozesse geführt werden. Aktuell ist das beim Boulevardblatt „Bunte“ der Fall. Die hatte angebliche Details über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher berichtet. „Weihnachtswunder – er kann wieder gehen“, titelte das Blatt Ende 2015 und plauderte im Innenteil noch mehr vermeintliche Details aus.

Zivilprozess vor dem Landgericht Hamburg

Diese Berichterstattung entspreche nicht der Wahrheit, entgegneten Schumachers Managerin und der Rechtsbeistand seiner Familie. Das Blatt blieb jedoch bei seiner Darstellung bzw. der Tatsachenbehauptung, die sich auf einen namentlich nicht genannten Informanten stützte. Deswegen kam es zum Zivilprozess vor dem Landgericht Hamburg, bei dem die Familie Schumachers bis zu 100.000 Euro Schadenersatz für die ihrer Ansicht nach unrichtige Berichterstattung forderte. Das Urteil soll nach in Teilen nichtöffentlicher (nichtöffentlich, weil es hier mutmaßlich um Sachverhalte ging, die eben Schumachers Intimsphäre betreffen) Verhandlung am 05. Mai gefällt werden.

Jetzt muss man den Fall Schumacher grundsätzlich beleuchten. Es ist zunächst einmal nicht zulässig, dass falsche Sachverhalte verbreitet werden. Ob das im beschriebenen Fall der Fall ist, wissen wir nicht. Es ist an dieser Stelle aber auch zweitrangig. Selbst wenn der dargestellte Sachverhalt richtig wäre, würde das nicht automatisch bedeuten, dass eine solche Berichterstattung auch ohne die Zustimmung Schumachers bzw. seiner Familie zulässig ist.

Medienrecht: Schutz der Intimsphäre ist ein hohes Gut

Sicher, Michael Schumacher ist auch nach seinem Karriereende eine Person des öffentlichen Lebens. Dieser Begriff kommt aus dem Zivilrecht und dient der Abgrenzung zwischen dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, auch an der Privatsphäre. Das Informationsinteresse sieht die Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen als gegeben an, wenn eine Person durch Amt, Fähigkeiten, Rang oder Taten öffentliches Aufsehen erregt. Die Intimsphäre bleibt hiervon jedoch unberührt.

An dieser Stelle gibt es zudem noch den Begriff der „Person der Zeitgeschichte“. Davon kann im Fall Schumacher aufgrund seiner herausragenden sportlichen Erfolge auch nach dem nicht allzu lange zurückliegenden Ende seiner aktiven Karriere durchaus gesprochen werden. Insofern gilt ein öffentliches Interesse an seiner Person hier als gerechtfertigt. Gleiches gilt beispielsweise für die Kanzlerin. Auch hier gibt es die Einschränkung, dass bereits die Soziosphäre geschützt ist. Das Bild eines Paparazzos von Frau Merkel im Badeanzug am Hotelpool ist nicht zulässig. Auch beim Einkaufen oder beim Picknick im Park dürfte die Kanzlerin nicht gezeigt werden – die Rechtsprechung ist an dieser Stelle aber nicht immer ganz eindeutig, wie nicht zuletzt das Caroline-Urteil II gezeigt hat.

Abzugrenzen ist übrigens der Begriff einer „relativen Person die Zeitgeschichte“, die sozusagen „anlassbezogen“ das öffentliche Interesse erregen. Das war etwa bei Marco Weiss der Fall, der 2007 in der Türkei inhaftiert wurde. Der Fall schlug seinerzeit hohe Wellen und führte zu politischen Verwicklungen. Der damals 17 Jahre alte Weiss wurde als Marco W. bekannt – die Nennung seines vollen Namens war nicht zulässig, denn gerade Minderjährige unterstehen einem besonderen Schutz.

Marco Weiss ist Relative Person der Zeitgeschichte

Weiss hat einige Jahre später ein Buch über seine 247 Tage im Gefängnis in der Türkei verfasst und damit selbst die Öffentlichkeit gesucht, so dass spätestens jetzt die Nennung seines vollen Namens zulässig ist. Die Berichterstattung über weitere Details aus seinem Privatleben beispielsweise ist ohne seine Zustimmung nicht zulässig.

Entscheidung im Einzelfall

Das ist bei Michael Schumacher anders. Hier besteht ein öffentliches Interesse an seinem Gesundheitszustand. In der Zeit nach dem Unfall hat die Familie bzw. das Management auch rudimentär darüber Bericht erstattet. Nach der Verlegung in sein Privathaus in der Schweiz allerdings ist dies eingestellt worden. Als Person der Zeitgeschichte ist auch Schumacher in seiner Privatsphäre unter gewissen Umständen eingeschränkt, seine Intimsphäre bleibt hiervon jedoch unberührt. Das kann beispielsweise bedeuten, dass er nach seinem schweren Unfall allgemein als rekonvaleszent bezeichnet werden darf, was aber nicht für Details zu seinem Zustand gilt.

An dieser Stelle ist die Freiheit der Presse eingeschränkt. Grundsätzlich wird Freiheit in unserer Rechtsordnung als ein natürliches, nicht zweckgebundenes Recht vorausgesetzt, das seine Grenzen in der Schädigung Anderer findet. Das gilt auch für das Presserecht. Hier müssen letztlich die Grundgesetzartikel  1 (Unverletzbarkeit der Würde) und 2 Abs. 1 (Recht auf persönliche Entfaltung) gegen die in Artikel 5 festgelegte Meinungs- und Pressefreiheit abgewogen werden.

Das kann im Detail eine sehr schwierige Sache sein, die dann die Gerichte beschäftigt. Es ist nämlich fraglich, inwieweit Menschen selbst bestimmte Bereiche ihres Lebens für die Öffentlichkeit öffnen. Toni Kroos beispielsweise ist ein weltbekannter Fußballer, doch über sein Privatleben wissen wir nichts. Er selbst kommuniziert hier auch nichts – eine Berichterstattung über Familiäres beispielsweise wäre in diesem Fall nicht zulässig.

Mick Schumacher tritt in die Öffentlichkeit

Anders wäre das bei einem fiktiven C-Promi, die  –  verzeihen Sie das Klischee – wiederholt mit den Medien über ihre plastischen Operationen gesprochen hat. Ginge eine diese Operationen mit einem sichtbaren Resultat dann einmal schief, wäre eine Berichterstattung auch ohne einen aktiven Anstoß ihrerseits zulässig.          

Hier und auch in anderen Bereichen muss die Frage gestellt werden, inwieweit sich Menschen selbst in die Öffentlichkeit begeben und welchen Teil ihres Lebens sie in der Öffentlichkeit darstellen. Es ist beispielsweise möglich, Äußerungen in sozialen Netzwerken mit Namen zu zitieren, so lange diese beispielsweise in öffentlich einsehbaren Profilbereichen oder öffentlichen Gruppen getätigt werden. Wer sich mit dem Megafon in Münster auf den Prinzipalmarkt stellt, kann ebenfalls zitiert werden.

Schumachers entscheiden selbst, wie viel sie preisgeben wollen

Michael Schumacher hingegen hat in Bezug auf sein Privatleben immer zurückhaltend agiert, insofern ist zunächst ein Fokus auf seine sportliche Karriere gegeben. Das gilt übrigens auch für seinen Sohn Mick, der momentan selbst als Rennfahrer auf einem Niveau reüssiert, das eine Berichterstattung rechtfertigt. Kürzlich hat er sich selbst in einem Interview allgemein über seinen Vater geäußert – das ist dann seine Entscheidung. Auch hier gilt: Die Schumachers entscheiden selbst, wie viel sie über sich preisgeben wollen.

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