Veröffentlicht am: 8. Juni 2018Von: Kategorien: PR

Kein Antritt ohne Rede, keine Regierung ohne Erklärung, keine Mannschaft ohne Ansprache – eine überzeugende Ansprache halten zu können, ist für Führungskräfte nicht Kür, sondern Pflicht. Doch nicht jedem ist das Talent eines Christian Lindner gegeben, der jetzt vom Verband der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) als bester Redner im Bundestagswahlkampf 2017 ausgezeichnet wurde.

Hier kommen Ghostwriting und persönliches Coaching ins Spiel. Wir sprachen mit dem Redenschreiber und Rhetorikcoach Wolf Zinn, der auch Dozent der internen Sputnik-Akademie ist, darüber warum die Rede auch im digitalen Zeitalter nichts von ihrer Wirkmacht eingebüßt hat und wie der Auftritt vor dem Auditorium gelingt.

Die richtigen Worte finden

“Beherrsche die Sache, dann folgen die Worte”, empfahl der Römische Senator Cato der Ältere – ist damit alles gesagt, Herr Zinn?

Es ist sinnvoll und begrüßenswert, wenn sich der Redner mit dem Rede-Thema gut auskennt – wenn er also weiß, wovon er spricht. Topmanager, Politiker, Verbandspräsidenten und Prominente haben jedoch einen vollen Terminkalender und müssen zu den unterschiedlichsten Anlässen sprechen. Da bleibt für die Einarbeitung ins Thema und die Vorbereitung eines genialen Redemanuskripts keine Zeit. Und manche können es auch einfach nicht. Dafür gibt es Redenschreiber. Die haben in der Regel zwar zunächst auch nicht mehr Ahnung von dem Thema als ihr Auftraggeber. Doch sie recherchieren effizient wie Journalisten und filtern aus dem Wust an Informationen die relevanten Kernaussagen. Dann schreiben sie dem Redner seine Rede auf den Leib, mit den geeigneten rhetorischen Stilmitteln, um das Publikum zu überzeugen. Somit entsteht der Eindruck: „Der beherrscht die Sache.“ Aus zahlreichen Studien wissen wir allerdings, dass der Rede-Inhalt eine deutlich geringere Wirkung erzielt als der Auftritt des Redners – etwa seine Körpersprache und seine Stimme. Darum empfehle ich meinen Kunden bei wichtigen Reden das „Gesamtpaket“ zu buchen – also nicht nur das Redemanuskript, sondern auch ein Rhetorikcoaching für den überzeugenden Auftritt.

Eine klassische Rede bedeutet lineare Kommunikation vor physisch anwesendem Publikum. Aber warum sollte man im digitalen Zeitalter überhaupt noch einen Raum mieten und Gäste einladen, wenn es doch Videotelefonie, YouTube und Periscope gibt. Oder anders herum gefragt: Was hat das Kommunikationsmittel Rede, was Skype und Streaming nicht haben?

Das eine schließt das andere ja nicht aus. Ein guter Redner kann auch in einem YouTube-Video überzeugen und damit eine hohe Reichweite erzielen. Die Rede-Situation vor Publikum ist aber schon etwas Besonderes: Sie ist ein unmittelbares „Live-Erlebnis“ und ermöglicht direkte Interaktion. Zugegeben: Die meisten Reden sind eher mittelmäßig – und manche richtig schlecht. Doch es gibt auch Ausreißer nach oben. Einigen Rednern gelingt es, ihr Publikum emotional zu packen, es zu bewegen und zu begeistern. Mit dieser rhetorischen Fähigkeit können sie viel erreichen – Rhetorik ist Macht.

Eine Ansprache ist formal gesehen ein Monolog. Man sagt jedoch, dass gute Redner ihr Publikum mit einbeziehen. Das ist – zumindest auf den ersten Blick – ein Widerspruch in sich, wie löst man ihn auf?

Eine Rede ist immer ein Dialog, auch wenn nur der Redner spricht. Denn er bekommt ja Feedback vom Publikum – über Mimik, Gestik, paraverbale Laute wie Räuspern, Lachen oder Seufzen und hoffentlich auch durch Applaus. Um den inneren Dialog zu verstärken, sollte der Redner sein Publikum direkt ansprechen. Also zum Beispiel: „Vielleicht kennen Sie…“, „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich…“ Außerdem hilft es, rhetorische Fragen zu stellen, also Fragen, die der Redner selbst beantwortet oder bei denen sich eine Antwort erübrigt – zum Beispiel: „Und wer muss es wieder ausbaden? (Natürlich ich!)“

Worte für die Ewigkeit

Verglichen etwa mit einem Tweet ist die Rede ein sehr ausführliches Kommunikationsinstrument. Berühmte Ansprachen kulminieren dennoch in einigen wenigen Worten wie “Ich bin ein Berliner” und “I have a dream”, die im kollektiven Gedächtnis bleiben, wie schafft man das?

Tatsächlich entwickeln sich manche Rede-Zitate zu richtigen Slogans – siehe „Yes, we can“. Nicht immer ist dies das Ergebnis einer ausgefeilten PR-Strategie – manchmal „passiert“ das einfach im jeweiligen Kontext. Allerdings ist es wahr, dass Redenschreiber und Berater bei manchen wichtigen Reden lange überlegen, welcher knackige, emotionale und mitreißende Kernsatz haften bleiben sollte. Hat man diesen prägnanten Satz gefunden, ist die Wiederholung ein legitimes rhetorisches Mittel. Es gibt dafür aber leider kein Patentrezept.

Am Anfang jeder Auftragskommunikation steht das Briefing. Worin besteht das Minimum, das ein Redenschreiber braucht, um eine Ansprache zu verfassen?

Im Briefing sollte vor allem das Anliegen des Redners deutlich werden: Was möchte er mit seiner Rede erreichen?

Worin bestände das Optimum?

Optimal ist, wenn sich der Redner intensiv mit dem Redenschreiber bzw. Rhetorikcoach in einem persönlichen Gespräch über die gewünschte Rede austauscht.

Und wann sollte ein Auftrag besser abgelehnt werden?

Wenn der Redenschreiber feststellt, dass seine Empathie an Grenzen stößt – er also nicht in der Lage ist, sich in den Redner hineinzuversetzen und für ihn die passenden Worte zu finden. Weitere Gründe könnten Antipathie oder nicht zu vereinbarende ethische Maßstäbe sein.

Völlig strukturiert oder im kreativen Flow

Wenn zeitlicher Vorlauf und Briefing stimmen: In welchen Produktionsstadien entsteht eine Rede?

Das ist wohl bei jedem Redenschreiber anders. Ich selbst gehe meist systematisch vor: Ich recherchiere umfassend, formuliere das Anliegen, die Kernbotschaft und den Appell, entwickle eine detaillierte Gliederung und formuliere erst dann die Rede. Manchmal schreibe ich aber auch völlig impulsiv einfach drauf los.

Was für eine Dramaturgie braucht eine fesselnde Rede?

Es gibt etliche mögliche Rede-Dramaturgien, die vom jeweiligen Anlass und Zusammenhang abhängen. Der wichtigste Faktor, um andere Menschen für sich und seine Ziele zu gewinnen, ist Sympathie. Und der wichtigste Sympathiefaktor ist Übereinstimmung. Es geht also für den Redner vor allem darum, Gemeinsamkeiten mit dem Publikum herzustellen und diese zu betonen. Ein Beispiel: Ein Vorstandsvorsitzender aus Hamburg, der in Freiburg studiert hat, könnte vor einem Freiburger Publikum Anekdoten aus seiner Studentenzeit erzählen. Storytelling ist generell das beste Mittel, um das Publikum zu fesseln. Die Menschen lieben Geschichten, weil sofort Bilder im Kopf entstehen. Dagegen löst eine phrasenhafte Sprache a la „wir müssen die Effizienz unserer Prozesse optimieren, um unsere Kapazitäten zu erweitern und unsere Potenziale auszuschöpfen“ überhaupt nichts aus – außer Langeweile.

Muss ein überzeugender Redner frei sprechen können?

Wer etwas zu sagen hat, sollte reden können – am besten frei. Das macht eine Rede einzigartig, wirkt authentisch und souverän. Ein ausformuliertes Manuskript könnte auch jemand anderes vorlesen. Schon Augustinus wusste: In dir muss brennen, was du in anderen entzünden möchtest. Im Idealfall macht sich der Redner darum seine Rede, die zunächst als Manuskript vorliegt, zu Eigen. Nicht indem er sie auswendig lernt, denn das durchschaut das Publikum. Ich empfehle die sogenannte Kelch-Methode: Der Redner notiert sich relevante Stichwörter in Sternform, die er dann im Uhrzeigersinn abarbeitet. Jedes Stichwort ist wie ein gefüllter Kelch in seinem Kopf, aus dem der Redner schöpfen kann. Das verlangt natürlich etwas Übung – Reden lernt man nur durch Reden.

Der angesprochene römische Staatsmann Cato soll jede seiner Reden – egal, ob es in der Debatte um den Haushalt oder die Hundesteuer ging – beharrlich mit dem Ausspruch “Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss” beendet haben. Schließlich folgte ihm der Senat und Rom zog in den dritten punischen Krieg, der mit der vollständigen Zerstörung Karthagos endete. Wie redundant muss und wie penetrant darf Rhetorik sein, damit sie ihre Wirkung beim Publikum entfaltet?

Wie gesagt: Die Wiederholung von wichtigen Botschaften ist ein gängiges rhetorisches Mittel. Allerdings ist das auch eine Gratwanderung – denn irgendwann nervt es nur noch. Etwa wenn der Unternehmenschef bei jeder Gelegenheit betont: „Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital.“

Wolf Zinn
Wolf Zinn

Zur Person: Wolf Zinn ist Rhetorik-Trainer, Coach, Redner und Redenschreiber. Zahlreiche Topmanager vertrauen auf seine Kompetenz, darunter Vorstandsvorsitzende von DAX-30-Konzernen. Wolf Zinn ist Politikwissenschaftler und zertifizierter Business Coach. Nach langjähriger Erfahrung als Journalist (u.a. Tagesspiegel, Welt, Spiegel TV, ZDF WISO) und PR-Manager (Redenschreiber des Vorstandsvorsitzenden der Audi AG, Leiter des Referats Konzernpublikationen der Bayer AG) machte er sich 2009 selbständig. Seitdem unterstützt er mit Begeisterung Führungskräfte, Prominente und Politiker bei der Vorbereitung wichtiger Auftritte – im gesamten deutschsprachigen Raum.

www.wolfzinn.de

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